Kunststoff − Zauberstoff: Freiheit und Grenzen der Gestaltung im HfG-Archiv, Am Hochsträß 8, 89081 Ulm
Wie kein anderer Werkstoff stehen Kunststoffe für die Demokratisierung in der Welt der Dinge. Sie eignen sich als Ersatz für traditionelle Materialien, sind billiges Ausgangsmaterial für massenhaft hergestellte Pfennigprodukte, unverzichtbar in der Medizintechnik oder Automobilindustrie. Sie können zu beliebigen Formen gegossen, gezogen, aufgeblasen werden und jede denkbare Farbe erhalten. Spätestens seit den 1970er Jahren traten sie im Konsumgüterbereich ihren Siegeszug an.
Die Entstehungsgeschichte der modernen Kunststoffe ist eng mit der Entwicklung der Wissenschaften im 19. Jahrhundert und der Industrialisierung in Europa verbunden. Die Chemie entfernte sich von den alchemistischen Überlegungen der Einheit von Mensch und Substanz und der Chance ihrer gemeinsamen Entwicklung, wie sie etwa in der Vorstellung vom Stein der Weisen zum Ausdruck kam. Die Natur wurde zum Materiallager, das beliebig ausgebeutet werden konnte.
An der Ulmer Hochschule für Gestaltung (1953-1968) waren die Werkstätten zentrale Orte des Experimentierens und der Umsetzung neuer Designentwürfe. In der Gips-, Holz- oder Metallwerkstatt entstanden erste Entwürfe und Modelle. Eine Kunststoffwerkstatt war zwar angedacht, wurde aber erst im Sommer 1959 eingerichtet. Von den Quadratmetern her der kleinste Raum, nutzten die Angehörigen der Abteilungen Produktgestaltung und Bauen sie besonders intensiv: Das neue Material eignete sich für den Modellbau und war zugleich eine Verheißung für die Gestaltung zukünftiger Industrieprodukte. Firmen wie Bayer und BASF sorgten mit großzügigen Materialspenden dafür, dass der Designer-Nachwuchs das Material kennen und schätzen lernte.
Die HfG Ulm war ein Projekt der Moderne. Mit Hilfe von Technik und Wissenschaft wollten ihre Mitglieder unsere alltägliche Umwelt nachhaltig und gut gestalten. Sie wollten mitwirken an der Einrichtung einer besseren Welt, in der alle Menschen in Freiheit, Sicherheit und ausreichend versorgt miteinander leben können. Von diesem Ideal sind wir heute mindestens so weit entfernt wie in den kargen Nachkriegsjahren: Auch in der Waffentechnik haben Kunststoffe ihren Einzug gehalten, und neben hochwertigen Gebrauchsgütern produzieren wir vor allem Verpackungsmüll.
Die Ausstellung wirft die Frage auf nach Chancen und Grenzen einer fast totalen gestalterischen Freiheit, wie sie uns die modernen Kunststoffe gegeben haben, und thematisiert dabei die Verantwortung von Gestaltern, Wissenschaftlern wie Verbrauchern angesichts dieser scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten.
Die Ausstellung wird durch ein umfassendes Veranstaltungsprogramm sowie durch einen Katalog (avedition Softcover, 128 Seiten, zahlreiche Abbildungen, € 24) begleitet.
Im Vermittlungsbereich finden Sie auch weitere Informationen zu öffentlichen Führungen wie buchbaren privaten Gruppenführungen im HfG-Archiv/Museum Ulm.
Mit freundlicher Unterstützung
Hören Sie einen SWR2 Radiobeitrag vom 15. Juni 2023 zur Ausstellung:
Einen ausführlichen Radiobericht des Deutschlandfunks vom 19. Juni 2023 zur Ausstellung können Sie hier hören.
Sehen Sie ein TV-Interview vom 21. Juni 2023 mit der Kuratorin Christiane Wachsmann zur aktuellen Sonderausstellung im HfG-Archiv/Museum Ulm.