Restitution von fünf Objekten an die Erben des Münchener Kunsthändlers Siegfried Lämmle und Erforschung von Direktionsakten aus NS-Zeit.
In den Jahren 1936 und 1937 erwarb das Museum in drei verschiedenen Ankäufen Werke des Münchener Kunsthändlers Siegfried Lämmle (1836–1953), dessen Fall seit einigen Jahren großes Interesse in der Erforschung von NS-Raubkunst findet.
Lämmle selbst hatte die Arbeiten – eine Zeichnung des Ulmer Malers Andreas Schuch, ein Fragment eines hölzernen Epitaphs und drei Siegel von Ulmer Zünften – dem Museum in mehreren Briefen angeboten. Obwohl er keine großen Summen verlangte, drückte das Museum in Nachverhandlungen die Preise: Nur für die Zeichnung erzielte Lämmle den angefragten, bereits niedrigen Preis von 100 RM; im Fall der vier übrigen Objekte erhielt er insgesamt nur 100 statt der ursprünglich verlangten 165 RM. Dennoch verkaufte er.
Siegfried Lämmle sowie seine Familie wurden aufgrund ihres jüdischen Glaubens von den Nationalsozialisten verfolgt; bereits 1935 forderte das NS-Regime die Auflösung seiner Kunsthandlung. Spätestens 1936 begann Lämmle mit dem Abverkauf seines Lagerbestandes und hatte deshalb keine andere Wahl, als seine Ware zu Prei-sen abzugeben, die er unter anderen Umständen und Konditionen nicht akzeptiert hätte. Die Tatsache, dass er in Ulm dreimal in Folge Werke anbot, obwohl er mit den vom Museum gezahlten Preisen nicht zufrieden war, bestätigt dies. Die Unrechtmäßigkeit der Ankäufe beschränkt sich nicht nur auf den finanziellen Verlust, sondern berücksichtigt den gesamten Kontext der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik und das Lämmle widerfahrene große Unrecht.
In Kenntnis dieser Umstände möchte die Stadt Ulm die fünf Werke an die Erbengemeinschaft zurückgeben bzw. für den Verbleib im Museum eine einmalige Ausgleichszahlung leisten.
Mit der Restitution findet das auf drei Jahre angelegte, vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderte For-schungsprojekt „Provenienzforschung in den Beständen des Museum Ulm“ seinen Abschluss, in dessen Rahmen die Erwerbungen des Museums zwischen 1933 und 1945 auf verfolgungsbedingt entzogenes jüdisches Eigentum untersucht worden sind. Die Ergebnisse sind auf der Website des Museum Ulm veröffentlicht unter https://museu-mulm.de/sammlungen/provenienzforschung/ns-raubgut/ “
Die Provenienzforschung am Museum Ulm geht jedoch weiter: In einem neuen, ebenfalls vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste unterstützten Projekt wird das Museum sein lückenlos erhaltenes Direktionsarchiv aus der NS-Zeit digitalisieren, inhaltlich auswerten und Fachkolleg*innen in anderen Kulturinstitutionen zugänglich machen. In den knapp 32.000 Briefseiten diskutieren die Ulmer Museumsleiter mit Sammler*innen, Kunsthändler*innen, an-deren Museen, Institutionen des NS-Staates oder Privatpersonen Preise und Preisentwicklungen von Kunstwerken oder ganzen Sammlungen; Vorbesitzer werden erwähnt oder Zwischenhändler sichtbar.
Nur ein kleiner Teil der in den Schreiben verhandelten Werke wurde tatsächlich von Ulm angekauft; vieles fand seinen Weg in andere öffentliche Sammlungen. Die Informationen, die der Aktenbestand liefert, sind deshalb nicht nur für Ulm, sondern auch für die Provenienzrecherchen anderer Museen und Forschungsprojekte von hoher Relevanz.
Das Vorhaben mit dem Titel „Die Direktionsakten des Museum Ulm „1933–1945): Digitalisierung, wissenschaftliche Erschließung, Verzeichnung in einem online-Findmittel sowie online-Veröffentlichung“ wird mit einer einjährigen Projektstelle finanziell gefördert.
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